Edito buntesAT#11


Liebe Leser, liebe Leserin, 

der Sommer ist die Zeit der Festivals, und diese sind eine Domäne der afrikanischen Communities. In dieser Ausgabe geben wir dem afriCult Festival viel Raum. Das erste und älteste afrikanische Festival in Wien feiert heuer sein 27-jähriges Bestehen und findet vom 12. bis 14. Juli im Böhmischen Prater auf der Laaerberg Festwiese statt. Seit Beginn gehört ein Dialogprogramm zu Themen, die die afrikanische Diaspora betreffen, zum festen Bestandteil des afriCult Festivals.
„Black Lives Matter – was it worth it?“ ist der Titel eines Panels, das viel Neugier und Interesse wecken wird. Der Zusatz „Was it worth it?“ wirft sofort die Frage auf. Kann ein politischer und gesellschaftlicher Kampf, der so tiefe historische und weit verzweigte Wurzeln hat, überhaupt anders als in Etappensiegen gemessen werden? Tatsächlich schwappt seit Monaten viel Negativpublicity aus den USA über die BLM-Bewegung nach Europa. Kritisiert wird ihr starker Fokus auf queere BPoC und die Vernachlässigung zentraler Anliegen der Schwarzen Community, wie Polizeireformen. Es muss tatsächlich gesagt werden, dass dieser Vorwurf nicht gerechtfertigt ist und dass die Vorstellungen dessen, wofür BLM steht, sich oft nicht 100%ig mit den Intentionen der Gründerinnen der Bewegung, Alicia Garza, Patrisse Cullors und Opal Tometi, decken. Die Gründerinnen, die sich selbst als queer positionieren, schreiben: „We affirm the lives of Black queer and trans folks, disabled folks, undocumented folks, folks with records, women, and all Black lives along the gender spectrum.” (Black Lives Matter o. D.)*. Die Anpassung der Inhalte der BLM-Bewegung an die Mainstreamvorstellungen wäre möglich gewesen, doch der Fehler lag nicht bei den Gründerinnen.


Weitere Kritik an BLM kommt aus Großbritannien und bezieht sich auf die mangelnde inhaltliche Substanz der Veränderungen. In einem Guardian-Artikel mit dem Titel „The Black Lives Matter era is over. It taught us the limits of diversity for diversity’s sake“, der im Mai 2024 erschien, kritisiert die Autorin, dass die BLM-Bewegung zu einer Frage der Repräsentation und schnellen Integration von mehr Schwarzen abgeflacht sei, was „zu mehr schwarzen Gesichtern auf dem Cover des Vogue-Magazins führte“, jedoch nicht zu grundlegenden Reformen der Polizeiarbeit und zu mehr Sicherheit für schwarze Communities. Hierzulande lernt man, dass Repräsentation große Auswirkungen auf das gesamte Gemeinwesen, einschließlich der Polizei, hat. Mehr Sichtbarkeit und Raum für schwarze Anliegen bedeuten immer auch eine erhöhte Angreifbarkeit – Stichwort: Backlash.
Doch es ist Sommer – erinnern wir uns also an die großen Errungenschaften, wie das „Black Voices Volksbegehren“, schwarze Repräsentant in den höchsten Regierungsebenen, erfolgreiche und sichtbare schwarze Unternehmer:innen und Intellektuelle.
Es bleibt sicherlich noch viel zu tun, um strukturellen und institutionellen Rassismus in Österreich weiter abzubauen und die Qualität unseres Rechtsstaates zu verbessern, doch einer Sache bin ich mir sicher – „it was worth it!“.
Ich wünsche eine anregende Lektüre!
Madge Gill Bukasa

* Lisa Tackie: „BlackLivesMatter als Handlungsrahmen für queeren Aktivismus in Wien? Eine Annäherung“. Erschienen in Stichproben. Wiener Zeitschrift für kritische Afrikastudien /Vienna Journal of African Studies 43/2022, Vol. 22, 33-47. DOI: 10.25365/phaidra.367_03

FOTO: afriCult
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