„Raoul Feuerstein“ von H.G. Adler


 

Beim Lesen von „Raoul Feuerstein“ könnte man leicht den Eindruck gewinnen, einen Vorläufer von Thomas Bernhards Monologen in den Händen zu halten. Obwohl das 315 Seiten starke Buch vor mehr als achtzig Jahren geschrieben wurde, blieb es jahrzehntelang unbeachtet und wurde erst 2024 durch die Nachkommen von H.G. Adler zur Veröffentlichung freigegeben. Atmosphärisch würde es sich gut neben „Wittgensteins Neffe“ im Bücherregal machen. Das Werk erforscht tiefgründig Angstgedanken und Gefühlsstrategien für Alles und Nichts zugleich – eine Thematik, die bereits im Namen Raoul Feuerstein mitschwingt.
Es überrascht nicht, dass H.G. Adler auch mit Hermann Broch, dem Autor von „Das Prinzip Hoffnung“, im Austausch stand. Ursprünglich war dieser Text sogar Broch gewidmet.
Durch die sprachliche Brillanz und die Tiefgründigkeit in der Untersuchung gedanklicher Prozesse entfacht das Buch eine Faszination für das „Phantom“, das eine unvergessliche, transparente Seelenlandschaft offenbart. Ähnlich wie Fernando Pessoa in seinem „Buch der Unruhe“ eine Ich-Figur namens Bernardo Soares benötigt, stattet H.G. Adler seine im Konzentrationslager Theresienstadt verfasste Erzählung von 1943 mit einer Ich-Person namens Bruno Güter aus.
H.G. Adler hinterließ zu Lebzeiten ein beeindruckendes Erbe an Romanen, Erzählungen und der Dokumentation „Theresienstadt 1941-1945“, die als Meilensteine gelten. „Raoul Feuerstein“ ist ein bemerkenswerter Fund des Löcker Verlags, der das Werk nun in perfektem Hardcover in guten Buchhandlungen präsentiert.
„Es war ein rettender Einfall, aufzuschreiben, was ich dachte und empfand, seit ich das Erlebnis des Namens Raoul Feuerstein mit mir herumtrug… eine vitale, reale Kraft.“                                       

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